Kammermusik

Meta4 Quartet

10. Kammermusik

TERRA MEMORIA

Spätestens seit Ludwig van Beethovens letzten Streichquartetten gilt die Gattung als eine überaus persönliche und bekenntnishafte Disziplin. Dieser Tradition entsprechen alle drei Werke dieser Kammermusik: Es sind sehr persönliche Kompositionen, auch wenn sie ganz unterschiedlichen Zeiten und Umständen entsprungen sind.

Terra Memoria ist ein Werk der finnischen Gegenwartskomponistin Kaija Saariaho, die in den vergangenen Jahrzehnten mit zahlreichen Opern und gross besetzten Orchesterwerken international in Erscheinung getreten ist – und sich doch auch immer wieder dem kammermusikalischen Genre zugewandt hat.

‹Land des Erinnerns›, so etwa lässt sich der Titel des zweiten, 2006 vollendeten Streichquartetts von Kaija Saariaho übersetzen. Nach den Worten seiner Schöpferin ist es dem «Andenken derer gewidmet, die von uns gegangen sind». Die Bewahrung, aber auch die Transformation und Veränderung persönlicher Erinnerungen bildet folglich den gestalterischen Ansatzpunkt für eine ganz besondere Form der motivischen Behandlung. Ein in sich abgeschlossener Fundus an Material wird im Verlauf der Komposition prozesshaft verändert.

Als Dmitrij Schostakowitsch im Jahr 1949 sein viertes Streichquartett vollendet, ist an eine Aufführung nicht zu denken: Seit gut einem Jahr steht der Komponist im Fadenkreuz der KPdSU, die in ihm einen ‹Formalisten› sieht – einen Tonsetzer mithin, der die volksnahen Ideale des sozialistischen Realismus durch eine bürgerlich verkünstelte Musik verraten habe. Seine Professuren in Moskau und Leningrad hat Schostakowitsch bereits im Jahr zuvor verloren. Erst nach Stalins Tod, am 3. Dezember 1953, erlebt das vierte Streichquartett seine Uraufführung.

Eine Art Präludium steht am Anfang des Werkes. Über einem langen Orgelpunkt auf dem Ton d entwickeln die Violinen ein pastorales Thema. Der zweite Satz beginnt als romantische Kantilene der ersten Violine. Ein grosser Spannungsbogen wandelt den eindringlichen Charakter dieser unendlichen Melodie ins Expressive. Das Scherzo – con sordino zu spielen – stellt eine klangliche Zurücknahme dar. Schwerpunkt des Quartetts ist, schon vom Umfang her, das Finale. Seine Melodik schöpft dieser Rondo-Satz aus der jüdischen Volksmusik. Ausgelassenen Melodien mit gitarrenhaften Begleitakkorden stehen Momente tiefer Trauer gegenüber.  

«Neue Kraft fühlend» – so ist ein Abschnitt in Ludwig van Beethovens Opus 132 überschrieben. Im Frühjahr 1825 erlitt der Komponist eine ernsthafte Erkrankung. Die dankbaren Gefühle über seine Genesung brachte er im dritten Satz seines a-Moll-Quartetts zum Ausdruck. «Heiliger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit», so ist dieser Satz überschrieben. Ein schlichter Choralsatz bildet den Anfang. Es folgt ein reich figuriertes Andante. Diese Gegenüberstellung wird mit «innigster Empfindung» und reicher Ausgestaltung wiederholt.

Den Beginn des Quartetts bildet eine kanonisch durch alle vier Stimmen geführte langsame Einleitung. Sie exponiert ein Vierton-Motiv, das im Hauptthema des anschliessenden Allegro fortgeführt wird und darüber hinaus im weiteren Verlauf des Werkes gegenwärtig bleibt. Das Allegro ma non tanto wechselt zwischen markanten Unisoni und lichten tänzerischen Abschnitten im Ländler-Ton. Der vierte Satz hebt an mit einem Marschthema und mündet unmittelbar in das glänzende Finale, dessen hymnische Wirkung durch eine Coda überhöht wird.

Christian Müller

Konzertprogramm

Kaija Saariaho *1952
Terra Memoria (2006) (20’)

Dmitrij Schostakowitsch 1906 – 1975
Streichquartett Nr. 4 D-Dur op. 83 (1949) (25’)

Ludwig van Beethoven 1770 – 1827
Streichquartett Nr. 15 a-Moll op. 132 (1825) (40’)

META4 QUARTET

Antti Tikkanen & Minna Pensola Violine
Atte Kilpeläinen Viola
Tomas Djupsjöbacka Violoncello

Das 2001 gegründete finnische Ensemble Meta4 gehört zu den international erfolgreichsten Streichquartetten. Die vier Musiker verbindet neben ihrer künstlerischen Offenheit und Neugier auf verschiedenstes Repertoire auch eine enge persönliche Freundschaft. Musikalisch zeichnen sie sich durch «atemberaubende Vitalität» (BADISCHE ZEITUNG), einen «transparenten, farbenreichen Klang» (RONDO) und «frischen Wind und Witz» (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG) aus. Meta4 ist regelmässig zu Gast in den grossen europäischen Konzertsälen wie dem Wiener Konzerthaus, der Wigmore Hall und King’s Place in London, dem Auditorio Nacional in Madrid, der Cité de la Musique in Paris und dem Konserthus Stockholm. Das Quartett hat zahlreiche Aufnahmen veröffentlicht, darunter Haydns Streichquartette op. 55 Nr. 1–3, ausgezeichnet mit dem Echo Klassik 2010, und Schostakowitschs Streichquartette Nr. 3, 4 und 7, die von der finnischen Rundfunkgesellschaft YLE zur Aufnahme des Jahres 2012 gekürt wurden. 2013 verlieh die Stiftung Jenny und Antti Wihuri dem Quartett einen Sonderpreis in Anerkennung seiner Arbeit.